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Bachmuschelprojekt NRW

Neben Fischen, Neunaugen und Krebsen behandelt die Landesfischereiverordnung NRW auch einige Arten von Großmuscheln, die in unseren Bächen und Flüssen vorkommen.

Die Bachmuschel ist neben der Flussperlmuschel in Nordrhein-Westfalen die seltenste Art. Nur noch wenige Reliktbestände dieser früher sehr häufigen Muschelart haben überdauert. In NRW ist die Bachmuschel daher vom Aussterben bedroht. Trotz mehrerer individuenstarker Vorkommen in einigen Bundesländern wird die Bachmuschel auch bundesweit in der Roten Liste als vom Aussterben bedroht geführt.

Das ist Grund genug für den Landesfischereiverband Westfalen und Lippe e. V. sich mit der Bachmuschel näher zu beschäftigen. Dabei gibt es viele Fragen, die sicher am besten durch die Unterstützung derjenigen beantwortet werden können, die sich regelmäßig an den Gewässern aufhalten. Deshalb sind alle Angler aufgefordert, sich aktiv am Bachmuschelprojekt NRW zu beteiligen. Dieses Projekt wird aus Mitteln der Fischereiabgabe gefördert.

Es geht dabei u. a. um folgende Fragen:

  • Wie stellt sich die historische Verbreitung der Bachmuschel in NRW dar?
  • Wo gibt es heute noch lebende Populationen und wie ist der Zustand der bewohnten Gewässer?
  • Welche Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen können der Bachmuschel helfen?
  • Wo gibt es geeignete Bedingungen für Wiederansiedlungsmaßnahmen in NRW?

Neben grundlegenden Informationen zur Bachmuschel auf dieser Internetseite werden wichtige Informationen in einem projektbegleitenden Flyer zusammengestellt. Außerdem wurden zur Bestandserfassung eine Kartierungshilfe und ein Meldebogen entwickelt.


 

Zur Namensgebung: Unio crassus wird meistens als Bachmuschel oder Kleine Bachmuschel bezeichnet. Es werden aber auch Namen wie Kleine Flussmuschel oder Gemeine Bachmuschel gebraucht. Letzteres zeigt an, wie gemein (also häufig) die Art früher gewesen sein muss.

Aus der Gattung Unio kommen in NRW noch zwei weitere Arten vor: die Malermuschel (Unio pictorum) und die Große Flussmuschel (Unio tumidus). Auch diese beiden Arten sind in der Roten Liste verzeichnet, kommen aber noch etwas häufiger als die Bachmuschel vor.

Zur Biologie: Die Bachmuschel besiedelt klare und sauerstoffreiche Fließgewässer. Hier graben sich die bis zu 7 cm großen Tiere soweit in die Gewässersohle, dass sie bei geöffneten Schalenhälften mit einer sogenannten Einstromöffnung Wasser einsaugen können. Schwebteilchen werden herausgefiltert und das Wasser über die Ausstromöffnung wieder abgegeben. Erwachsene Tiere filtern so 70 bis 90 Liter Wasser am Tag.

Bachmuscheln sind getrenntgeschlechtlich. Zur Befruchtung strudeln die weiblichen Muscheln die ins Wasser abgegebenen Samenzellen der Männchen ein. Nach der Befruchtung der Eier reifen durchsichtige Muschellarven, die Glochidien. Sie tragen an den Miniaturschalen jeweils einen langen, spitzen Zahn mit Widerhaken.

Wenn die weiblichen Muscheln im Frühjahr die Larven in das Wasser abgeben, gelangen diese oft beim Fressen und Atmen der Fische an deren Kiemen. Dort verhaken sie sich mit ihren Zähnen. Danach parasi­tieren sie einige Wochen an den Kiemen und lassen sich dann an Ruheplätzen der Fische auf den Gewässergrund fallen. Für ein bis drei Jahre graben sie sich dort ein und wandeln sich in dieser Zeit zur Jungmuschel. Häufige Wirtsfische sind Stichlinge und Elritzen. Für die Fische ist dieser kurzzeitige Larven­befall unschädlich.

 

Historische Verbreitung: Bachmuscheln kamen früher vermutlich mehr oder weniger flächendeckend in Flüssen und Bächen Nordrhein-Westfalens vor. Anhand von historischen Quellen deutet sich aber an, dass Unio crassus im Tiefland häufiger als in den höheren Lagen gewesen sein dürfte.

Heutige Vorkommen: Unio crassus kommt nach der­zeitigem Kenntnis­stand nur noch mit drei Relikt­popu­lationen in NRW vor. Die individuen­reichste besiedelt den teilweise recht naturnahen Boker Kanal, der von der Lippe gespeist wird und nach 32 km Fließ­länge über die Glenne wieder in die Lippe mündet. Ein Bestand von ca. 70 – 80 Tieren lebt in einem kleinen Nebengewässer der Lippe oberhalb von Schloß Neuhaus. Eine weitere Population mit deutlich über 100 Tieren kommt in einem weiteren kleinen Nebengewässer der Lippe und auch in dessen Mündungsbereich in der Lippe selbst vor. Dieser Bestand wurde erst 2012 entdeckt und bis 2014 näher untersucht.

 

Ursachen für den Rückgang: Ausbau und Begradigung der Gewässer, aber ganz besonders auch stoffliche Belastungen dürften für das beinahe flächendeckende Aussterben der Bachmuschel in NRW verantwortlich sein. Zahlreiche Autoren gehen davon aus, dass Unio crassus besonders gegenüber Nährstoffeinträgen empfindlich ist.

Perspektiven für die Arterhaltung: Es gibt in NRW zumindest drei fortpflanzungsfähige Bachmuschelpopulationen. Die stoffliche Belastung der allermeisten Fließgewässer hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verringert. Ganz überwiegend herrscht in unseren Bächen und Flüssen eine gute Gewässergüte vor. Die noch vorhandenen großen Defizite bei der Durchgängigkeit und den Gewässerstrukturen sollen und müssen durch Maßnahmen verbessert werden, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Damit sind insgesamt relativ gute Voraussetzungen gegeben, die noch vorhandenen Bachmuschel-Potenziale zu schützen und weiter zu entwickeln.

Dazu besteht aber auch eine große Notwendigkeit: Auch heute noch gibt es leider immer wieder Unfälle und Einleitungen von Schadstoffen in Gewässer. Ob eine havarierte Biogasanlage oder ein Ölunfall im Einzugsgebiet – die Folgen für die Bachmuschelpopulationen könnten verheerend sein.

Seit dem Jahr 2003 wird deshalb von der Biologischen Station Kreis Paderborn-Senne e. V. zusammen mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucher­schutz NRW ein Projekt zur künstlichen Infizierung von Wirtsfischen mit Muschel­larven durchgeführt. Auf diesem Wege wird u. a. eine Wiederansiedlung der Bach­muschel in einem weiteren Fließgewässer im Einzugsgebiet der Lippe versucht.

Weitere Maßnahmen und Anstrengungen für den Erhalt der Bachmuschel in NRW müssen folgen.

 


Ansprechpartner

Carsten  Nolting
Dipl. Biologe
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